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Auf einen Kaffee beim Collectif Foulles

26.01.2022

Wie arbeitet ihr im Kollektiv? Was sind die Vor- und Nachteile dieser Arbeitsweise?
Einerseits bedeutet die Arbeit im Kollektiv, dass wir sämtliche Entscheidungen gemeinsam fällen. Das heisst, dass wir jeden Beschluss besprechen und einen Konsens innerhalb der Gruppe finden müssen. Das bedeutet aber auch, dass jede:r einen persönlichen Touch reinbringt und schliesslich die unterschiedlichen Meinungen zu einem Gesamten verschmelzen. Für unsere Arbeiten sind wir immer im Gespräch miteinander und diskutieren die einzelnen Meinungen, immer mit dem Ziel, dass sich alle Kollektivmitglieder wohl fühlen und hinter den Entscheidungen des Kollektivs stehen können. Teilweise arbeiten wir auch so, dass nur eine Person die Leitung bzw. die Entscheidungen übernimmt. Jedes Mitglied übernimmt einmal diese leitende Funktion und zum Schluss werden alle Meinungen zusammengetragen und ausgewertet. Dabei fällt uns immer wieder auf, dass die Entscheidung der leitenden Person meist durch die Haltungen des Kollektivs beeinflusst werden. Dies hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass wir schon sehr lange befreundet sind und auch seit einigen Jahren zusammen arbeiten. Es geht einerseits um unsere künstlerische Arbeit, aber auch darum, wie wir unsere Freundschaft vertiefen und durch den Tanz bereichern können. Die Arbeit im Kollektiv ist eine Vermischung von künstlerischer Arbeit und Freundschaft.

Gibt es also keine klare Trennung zwischen eurem Arbeitsleben und eurer Freundschaft?
Doch, es besteht ein Unterschied, ob wir im Studio über unsere Arbeit diskutieren oder in den Pausen über unsere Freizeit, jedoch überlappen sich diese Gespräche immer wieder, denn das, was wir als Privatpersonen mögen, spielt auch in in unsere künstlerische Arbeit hinein.

Wie geht ihr mit der kurzen Probenzeit von 3 Wochen um?
Für die Bewerbung mussten wir bereits ein Konzept unseres Stücks abgehen, weshalb die Recherchearbeit wegfällt und wir gleich mit dem Choreografieren und Kreieren des Stückes beginnen konnten. Der Fokus liegt jetzt wirklich auf den Bewegungen und der Kreation des Stückes selbst. Wir probieren Bewegungen aus und schauen, wie wir diese zu einem Stück verbinden wollen. Ausserdem war es hilfreich für uns, dass die Aufführungszeit für unser Stück auf 20 Minuten begrenzt ist. Die begrenzte Zeit gibt einen klaren Rahmen vor, an dem wir uns orientieren können. Ausserdem waren die Treffen mit den Coaches Jenna Hendry und Simon Froehling sehr hilfreich, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Wie entstand die Idee für euere Stück Tale n. 1 2 3 Geschichten des Mittelalters mit aktuellen Anliegen zu verknüpfen?
Vor zwei Jahren beschäftigten wir uns im Rahmen eines Bachelor-Projekts mit der Bewegungssprache des Mittelalters. Das Thema liess uns nicht mehr los und so begannen wir letzten September weiter zu recherchieren und uns Gedanken zu machen, wie wir diese Thematik in einem Tanzstück zeigen könnten. Daraus entwickelten wir das Stück A prayer before. Für SHOW-OFF vertieften wir unser Wissen, unter anderem mit der Hilfe eines Mediävisten und schauten uns verschieden Bilder aus dem Mittelalter an, die uns ästhetisch ansprachen. Wir sammelten Bilder und Texte und versuchten diese in Bewegung zu transformieren.

Wie funktioniert diese Transformation von Bildern / Text in Bewegung?
Wir betrachteten die mittelalterlichen Bilder und stellten die Bewegungen der abgebildeten Personen nach. Zuerst jedes Kollektivmitglied für sich und dann alle gemeinsam. Wir beschäftigen uns auch mit der Bedeutung der einzelnen Bewegungen und versetzten diese in den heutigen Kontext. Spannend dabei ist, dass gewisse Bewegungen heute eine ganz andere Bedeutung haben, als im Mittelalter. Auch gewisse Körperteile wurden im Mittelalter anders codiert wie heute. Beispielsweise zählten die Knöchel zum erotischsten Teil des Körpers.

Welchen Stellenwert hat diese Umcodierung der Körperteile in eurem Stück?
Für uns ist die Umcodierung ein sehr wichtiger Teil, denn dadurch wird die Verbindung vom Mittelalter zum Jetzt hergestellt. Dadurch können wir die Geschichten des Mittelalters reimaginieren und einen Raum schaffen, der Vergangenheit, Zukunft und Präsens miteinander verknüpft. Wir wollen damit auch aufzeigen, dass der Körper immer etwas gesellschaftlich Konstruiertes und Veränderbares ist.